"Jeder ist in der
Fremde viel mehr
als zuvor zu Hause
seines Glückes
eigener Schmied."
Wir sitzen auf der Terrasse
des neuen Hauses, welches der Autor vor einigen Monaten bezogen hat.
Die Dämmerung zieht auf und ein Konzert aus Hunderten von Vogelstimmen
beginnt um uns herum.
Ray Nolan deutet zu den Bäumen hinüber, die sich nun als schwarze
Silhouetten gegen den orange-
roten Himmel abzeichnen.
"Ohne dieses Gezirpe, Gezwitscher und Geschrei könnte ich nicht
mehr leben", sagt er und lächelt.
"Diese immer noch sehr ursprüngliche Natur, das satte Grün,
all die vielen Bäume, die auch im para-
guayischen Winter blühen das alles macht irgendwie süchtig..."
Ein Winzling an Vogel huscht plötzlich über die Terrasse, verharrt
keine anderthalb Meter vor uns be-wegungslos in der Luft und betrachtet uns
argwöhnig. Ein Kolibri kaum größer als zwei Walnüsse.
Der leichte Wind trägt den Duft von Blüten, feuchter Erde und Gräsern
zu uns. Ich nicke und sehe
dem kleinen Ding nach, das nun ebenso rasch davonschwirrt, wie es gekommen
war. Ja, diese Welt
hier kann schon süchtig machen. Diese Welt, die so ganz anders ist, als
jene, die wir von daheim her kennen.
Was wäre wohl gewesen, wenn nicht jemand das tragbare Telefon erfunden
hätte, und wenn es kei-
nen Bild Gates, keine E-Mails, geben würde? Ich frage den
Autor, ob er dennoch in Paraguay ge-
blieben wäre. Ray Nolan starrt mich eine Weile nachdenklichn an, dann
schüttelt er zu meiner Über-
raschung mit dem Kopf.
"Nein, vermutlich nicht. Ich bin eigentlich kein Aussteigertyp und kann
daher nur für mich selbst spre-chen. Ich glaube, ich hätte auf all
das Wunderbare hier verzichtet und wäre wieder in die Tretmühle
zurückgekehrt. Es wäre einfach beruflich nicht anders gegangen.
Gott, ja
genaugenommen kann
ich dies alles hier also nur genießen, weil ich ein blödes Handy
habe, über das ich mich inzwischen
jeden Tag ärgere und weil ich 24 Stunden am Tag mit dem Computer online
bin. Ist schon eine '
merkwürdige Welt, oder?"
Das Kolibri scheint äußerst neugierig zu sein, schwirrt schon wieder
greifbar nah heran und beäugt
uns. Vielleicht sollte ich Bill Gates mal einen Brief schreiben, geht es mir
durch den Kopf. Er ahnt ja
vermutlich nicht einmal, dass sein Outlook-Express irgendwas mit winzigen
Kolibris zu tun hat...
Links zum Thema: Homepage
von Ray O. Nolan
Bücher
von Ray O. Nolan
Paraguay-Infos: http://paraguay-online.net
(
demnächst noch mehr Promis...)
Für Ray O. Nolan, der in Deutschland unter zahlreichen Pseu-
donymen als freier Journalist und Autor Dokumentationen, Ro-
mane, Drehbücher und Fortsetzungsserien schrieb, begann mit
dem Auswandern ein völlig neuer Lebensabschnitt. Schon sehr
bald zeigte sich, dass sich auch freischaffende Schriftsteller
in der Fremde nicht einfach unter eine Palme setzen können, um
nun lediglich in einer anderen Umgebung wie gehabt weiter
zu agieren. Die damals fehlenden, aber in seinem Beruf notwen-
digen, Kommunikationsmittel wie Telefon, Fax, sichere Postzu-
stellung, rasche Bankverbindungen usw waren einfach nicht vor-
handen. Für Verlage und Agenturen war der Autor nur auf dem
Postweg zu erreichen, und er selbst musste kilometerweit fah-
ren und oft ein, zwei Stunden warten, um nach Deutschland te-
lefonieren zu können.